Warum kommen die Beschwerden nach dem „Einrenken / Knacken“ häufig wieder?

Bzw. unter welcher Bedingung kann es eine sinnvolle Behandlung sein?

Viele kennen es: Ein Wirbel oder eine Rippe scheint „ausgerenkt“ zu sein. Denkbare Folgen: Schmerzen, Bewegungseinschränkungen; Sie wachen möglicherweise aufgrund von Schmerzen immer wieder auf oder können keine schmerzfreie Position beim Schlafen finden.

Aber was ist eine Gelenkblockade überhaupt?

Es bedeutet, dass ein Gelenk sein volles Bewegungsausmaß verloren hat, wobei jedoch mindestens eine Bewegungsrichtung fast immer schmerzfrei möglich ist. Hier ist nichts kaputt oder wirklich ausgerenkt, sondern lediglich das normale Funktionieren – d.h. die normale Beweglichkeit – eingeschränkt. In der Osteopathie spricht man von der somatischen Dysfunktion.

Eine somatische Dysfunktion kann nun primär (ursächlich) oder sekundär (als Folge) sein. Auch kann es sich um eine kompensatorische Dysfunktion handeln, bei der die Dysfunktion vom Körper erwünscht ist.

Primäre somatische Dysfunktion

Dies ist die Dysfunktion, die es zu behandeln gilt. Wenn es sich um ein (Wirbel-)Gelenk handelt ist das „Knacken/Einrenken“ eine von mehreren Behandlungsoptionen. Hierbei wird an der Bewegungsbarriere ein schneller Impuls mit geringer Kraft und geringer Amplitude durchgeführt (HVLA = high velocity low amplitude).

Einrenken

Sekundäre somatische Dysfunktion

Eine sekundäre Dysfunktion entsteht als Folge aus einer primären Dysfunktion. Wenn nun die sekundäre Dysfunktion gelöst wird, die primäre aber bestehen bleibt, ergibt sich häufig eine nur kurzfristige Linderung, da sich die sekundäre Dysfunktion erneut ausbildet.

Dies ist oft an den Wirbelgelenken zu beobachten.

Ein Beispiel: Nach einem Trauma im Sprunggelenk kann lokal eine Dysfunktion auftreten, die über muskuläre und fasziale Züge eine Blockade im Kreuzbein-Darmbein-Gelenk (= Iliosacralgelenk = ISG) hervorrufen kann. Das Trauma kann ggf. schon länger zurück liegen und keine Beschwerden mehr machen. Allerdings wird sich die ISG-Blockade wahrscheinlich erst dann wieder dauerhaft lösen, wenn die Dysfunktion im Sprunggelenk behoben ist.

Ein anderes Beispiel wäre eine bewegungseingeschränkte Niere – möglicherweise nach einer Nierenbeckenentzündung. Hierdurch kann vermehrte Spannung in der Gewebsumgebung entstehen, die sich auf die angrenzenden Wirbelsegmente auswirken kann.

Auch über neuronale Verbindungen zwischen Organen und Wirbelsäule/Rückenmark ist ein Entstehen einer sekundären Dysfunktion im entsprechenden Wirbelsegment möglich.

Kompensatorische Dysfunktion

Der Körper versucht immer Belastungen jeder Art auszugleichen oder zu kompensieren.

Wenn beispielsweise ein anatomisch längeres Bein vorhanden ist, kann ein Muskelzug die Beckenschaufel auf der Seite des längeren Beins leicht nach hinten drehen (sog. Ileum-posterior-Dysfunktion), wodurch in der Regel das Bein funktionell etwas kürzer wird und die Belastung des anatomisch längeren Beins auf den Körper teilweise kompensiert wird. Diese kompensatorische Dysfunktion erlaubt eine bessere Gesamtfunktion des Organismus und sollte nicht behandelt werden.

Fazit:

„Einrenken/Knacken“ ist dann sinnvoll, wenn keine beeinflussenden Dysfunktionen vorliegen, bzw. diese bereits gelöst wurden.

Wie gehe ich bei einer Behandlung vor:

Zunächst möchte ich mir über die Anamnese ein Bild von Ihnen machen. Anschließend führe ich eine vollständige körperliche Untersuchung durch, da gelegentlich vergangene Traumata nicht in Zusammenhang mit den Beschwerden gebrachten werden, diese nicht mehr erinnerlich sind, oder evtl. sogar nur ein Bagatelltrauma zugrunde liegen könnte. Für dieses Vorgehen ist mir ausreichend Zeit wichtig, um Sie zielführend behandeln zu können.

Quellen

  • Lehrbuch Osteopathische Medizin, Johannes Mayer, Elsevier-Verlag, 1. Ausgabe 2017
  • AACOM 2011, Glossary of Osteopathic Terminology
  • Lehrbuch Leitfaden Viszerale Osteopathie, Kapitel 1, Osteopathische Sicht des viszeralen Systems, 2. Auflage2 014